


Wenn Architektinnen und Architekten beim Entwerfen mit Stahl nicht mehr die hohe Präzision, die statische Effizienz und den schnellen Bauprozess als charakteristisch hervorheben, sondern der Begriff «basteln» oder, wie von Claude Lévi-Strauss geprägt, «bricoler» fällt, scheint die Stahl-Welt aus den Fugen geraten zu sein oder wir Planenden befinden uns inmitten einer kopernikanischen Wende.
Für die vorliegende Arbeit trifft beides zu, denn sie widmet ihre ganze Aufmerksamkeit dem «Re/use» von Bauteilen. So stark der CO2 Ausstoss durch das Wiederverwenden von Bauteilen reduziert werden kann, so tiefgreifend sind auch die Folgen für das Entwerfen. Der tradierte Entwurfsprozess verändert sich dadurch fundamental. So verlockend das Kreislauf-Versprechen ist, so gross sind die damit einhergehenden Herausforderungen für alle am Bauprozess beteiligten. Diesen Herausforderungen nimmt sich der Autor an und liefert mit seinem Diplomprojekt einen erhellenden Beitrag zur kollektiven Entdeckungsreise von «Re/use» Architektur, die sich gerade bereit macht.
Gegenüber des Toni-Areals, inmitten von Verkehrsachsen, Gewerbebauten und direkt neben dem Gleisfeld gelegen, findet der Architekt einen idealen Ort um die «Re/use» Architektur zu erproben. Im näheren Kontext von seinem Bauplatz spürt er eine Vielzahl von Büro-, Lager-, und Gewerbebauten auf, von denen er annimmt, dass sie in absehbarere Zeit zurückgebaut werden könnten. Aus einer vertieften konstruktiven Analyse dieser Bestandsbauten generiert er ein fiktives Bauteillager für seinen Entwurf. Darauf aufbauend demonstriert der Architekt auf eindrückliche Weise, wie Architektur aussehen könnte, die sich zu 80% aus wiederverwendeten Bauteilen zusammensetzt. Das dem Stahlbau dabei eine zentrale Rolle zukommt, weil er einfach demontiert werden kann, unterstreicht der Entwurf. Ebenfalls sichtbar wird, dass Stahl um in Zukunft erfolgreich zu sein, Verbündete braucht. Materialien, die seine Defizite kompensieren, damit er seine unbestrittenen Stärken ausspielen kann. Dass der Weg zur künstlerischen Einheit dabei über Heterogenität führt, erfordert ein hoch entwickeltes Entwurfsdenken, dass die Arbeit in einer gekonnten Art der Veredelung des «Bastelns» zeigt.
Die Nutzung – ein Bauteillager – verkörpert die zentrale Herausforderung des Zwischenlagerns beim «Re/use» Ansatz an sich. Das mehrgeschossige Lager bildet dabei das typologische Zentrum des Hauses, um das sich verschiedene ergänzende Nutzungen wie ein Café, ein Markt, Werkstätten zur Bearbeitung der Bauteile und nicht zuletzt Räume für Workshops herumwinden. Die strukturelle Klarheit des Entwurfs baut auf einer Stahl-Holz Hybridkonstruktion auf. Der entwerferische Umgang zeugt von einem hohen konstruktiven Bewusstsein. Die eigenständigen tektonischen Lösungen tragen zu der spezifischen Atmosphäre des Entwurfs bei.
Dass die Antwort der Klimakrise interdisziplinäres- und zusammenhängendes Denken und Handeln voraussetzt, scheint für den Architekten eine Selbstverständlichkeit. Denn das Narrativ der Arbeit reicht von städtebaulichen bis hin zu konstruktiven Überlegungen – allesamt in eindrücklicher Tiefe, leidenschaftlich und glaubhaft behandelt.
Die Anerkennung geht an Luca Ugolini, Architekturstudent der ETHZ für seine Masterarbeit "Bauteillager «Re/use».
Der entstehende Neubau aus wiederverwendeten Bauteilen setzt sich mit seinem kompakten Volumen an die südöstliche Viadukt Parzelle. Der Entwurf nimmt Rücksicht auf das gesamte Gelände und dem bestehenden Baubestand, welcher aus einer vorwiegend offenen, sowie punktuellen Industriegebäude Setzung besteht. Aufgrund der prominenten Lage direkt am Gleisfeld und zwischen zwei Hauptverkehrsachsen, bekommt das Gebäude eine starke öffentliche Bedeutung im Stadtbild Zürichs.