Der 3. Preis ist ein visionärer Vorschlag zu einem globalen Thema, welches uns alle betrifft und uns zukünftig herausfordern wird.
Die Folgen unseres exorbitanten Konsums an Gütern, wie Umweltverschmutzung, Ressourcen - Verschwendung und globale Entsorgung treffen uns alle. Die jahrzehntelange Verlagerung von Produktion, Abfallbewirtschaftung und der dazu gehörenden Logistik ins Ausland ist längerfristig nicht mehr tragbar. Recycling und Upcycling sind aktuelle Aufgaben, welche uns intensiv beschäftigen sollten. Doch wohin mit all dem Material?
Auf diese globalen Fragen und logistischen Herausforderungen entwickeln die beiden Verfasserinnen Heeb und Ewald ein cleveres und autonom funktionierendes Leuchtturmprojekt.
Lokalisiert entlang den Geleisefeldern in Chiasso, einer Grenzstadt mit grossem Warenumschlag, wird ein Hochregallager für sperrige Güter mit minimalster Bodenfläche etabliert und bildet dadurch einen Gegenpol zu den grossen Umschlagsplätzen in der Nachbarschaft. Die Stapelung von Material ist an sich nichts neues, jedoch wird es vorwiegend für Neuwaren genutzt. Hier erledigt nun ein Portalkran die Aufnahme und Verschiebung von wiederverwertbarem Material in horizontal bewegliche Plattformen. Gleichzeitig kann das Material in den benachbarten Werkstätten vor Ort bearbeitet und wieder in Umlauf gebracht werden.
Die Wiederverwertbarkeit ist nicht nur programmspezifischer Natur, sondern wird mit grosser Konsequenz auch in der Konstruktion des Infrastrukturprojekts verfolgt.
Die Primärstruktur wird aus den Fachwerkträger von Kranhauptkörpern aufgebaut. Die Aussteifung und Windstabilität kann über das angedockte Werkstattgebäude gewährleistet werden. Die Verwendung von erprobten Stahlkonstruktionen ist hier ein integrativer Bestandteil des Gesamtkonzept. Was sonst ist witterungsbeständiger, leichter, winddurchlässig, und erst noch demontierbar? Bis zu den wieder verwertbaren Kranfundamenten aus Beton lässt sich diese Vision einer zirkulären Güterbewirtschaftung an jedem beliebigen Ort und in wandelbaren Dimensionen etablieren.
Dieses Projekt gelingt es hervorragend, mit einfachen Mitteln, unsere globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts - Klimawandel, begrenzte Ressourcen, nachhaltiges Bauen – sichtbar zu machen und Möglichkeiten zu schaffen, lokal zu agieren. Je eher diese Prozesse wieder Teil unseres Alltags werden, desto grösser ist deren Akzeptanz. Und wenn diese Strukturen noch so eine Leichtigkeit und Wandelbarkeit aufzeigen, umso besser.
In diesem Sinne möchten wir Meret Heeb und Tina Ewald zu ihrer Semesterarbeit «Enklaven der Globalisieung» gratulieren. Die Semesterarbeit wurde an der ETH Zürich im Entwurfsatelier Elly Mosayebi abgeschlossen. Herzliche Glückwunsch zum 3.Prix d’acier!
Dalila Chebbi | 03.09.2024
Unser Projekt ist ein Vorschlag für einen Paradigmenwechsel in unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft mit teilweise absurden logistischen Prozessen. Wir schaffen die Möglichkeit, den Lebenszyklus von Konsumgütern von der Produktion bis zum Wegwerfen zu verlängern. Ein Ort zum Reparieren, Wiederverwenden und Upcyceln. Wir schlagen einen Lagerturm für Wegwerfmaterialien und Reparaturwerkstätten vor, der auch einen neuen öffentlichen Raum für Chiasso bilden wird.
Funktion
Neben sperrigen Gütern aus Privathaushalten und Unternehmen wird auch Verpackungsmaterial von Logistikunternehmen abgeholt. Das Material wird das ganze Jahr über gesammelt, sortiert und gelagert. Die Anlieferung erfolgt per Bahn oder LKW und wird mit einem Portalkran in ein Hochregalsystem einsortiert. Die Stellfläche wird so gering wie möglich gehalten, um so viel Platz wie möglich für die Anlieferung und Abholung zu schaffen. Der Materialfluss verläuft von den Bahngleisen in Richtung Stadt. Im Lager angekommen, werden die Materialien in den Werkstätten bearbeitet. Vom Grobzuschnitt über die Reinigung bis hin zur Feinbearbeitung und Reparatur. In diesem Sinne wird das gelagerte Material auch sortiert. Handwerkerinnen und Handwerker sowie Künstlerinnen und Künstler sind für das Reparieren und Upcycling zuständig. Programme und Sommerschulen für Lehrlinge werden zyklisch das ganze Jahr über angeboten. Die Werkstätte stehen auch den Bewohnern von Chiasso offen, die selbst oder unter Anleitung Konsumgüter reparieren können. Durch den ständigen Materialfluss von der Lagerung bis zur Verarbeitung ist unser Gebäude eine Dauerbaustelle, was auch im Ausdruck des Gebäudes sichtbar ist. Unser Projekt bewegt sich zwischen dem Allgemeinen der Logistik und dem Lokalspezifischen. Obwohl unser Projekt spezifisch auf Chiasso zugeschnitten ist, bleibt es durch temporäre Verbindungen und Fundamente durch Gewichte flexibel und ist auch an anderen Standorten denkbar. So wie Punto Franco ein Symbol für die globale Logistik in der sehr flachen Stadtlandschaft ist, soll unser Lager- und Werkstattturm ein Gegenpol zur schnelllebigen Wegwerfgesellschaft werden. Die Möglichkeit der Reparatur verleiht unseren Alltagsgegenständen ein längeres Leben.
Material
Der Lagerturm, bestehend aus einem Portalkran mit Lagerschubladen und Werkstätten, wird als Stahlkonstruktion konzipiert. Stahl dient der Umsetzung der gestalterischen Idee - Leichte und Transparenz im Kontrast zu den geschlossenen Lagerhallen in Chiasso, eine dynamische Struktur symbolisch zum Materialfluss. Die Transparenz wird mit der Fassade unterstützt. Thermisch sind die Werkstätte nicht abgeschlossen, da die Fassade lediglich aus einer aufrollbaren Recycling Plastikfolie besteht. Im Innern zonieren thermische Vorhänge den Raum.