


Auf dem Areal der alten Ryff-Fabrik im Berner Marziliquartier soll ein Integrationszentrum für geflüchtete Menschen entstehen. So lautete die Aufgabenstellung der Bachelor Thesis Architektur 2024 der BFH. Der Bauplatz ist von den topografischen Gegebenheiten und dem Genius Loci des industriellen Areals geprägt. Die dominante Monbijoubrücke im Süden hat starken Einfluss auf die städtebauliche Setzung des Neubaus. Dem Entwurf liegt das Ziel zugrunde, die beiden Höhenebenen im Brückenbereich miteinander zu verbinden.
Nachhaltigkeit im Fokus
Das Projekt RE-FUSE ist ressourcenbasiert entworfen. Zu diesem Zweck wurde zu Beginn des Prozesses ein Re-Use-Basket angelegt. Ein Warenkorb von wiederverwendeten Bauteilen, welche sich im Frühling 2024 auf der Bauteilbörse Salza.ch befanden. Die fiktiv eingekauften, jedoch real eingeplanten Bauteile sind integraler Bestandteil des Entwurfes.
Mit dem Einsatz dieser Bauteile können knapp 800 Tonnen CO2 allein bei der grauen Energie im Primärtragwerk eingespart werden, verglichen mit dem Einsatz neuer Bauteile. Davon machen die Stahlbauteile einen erheblichen Anteil von beinahe 80% aus.
Design for disassembly
Die primäre Tragstruktur besteht zu 100% aus wiederverwendeten Bauteilen aus dem Roche Areal in Basel. Im Detail sind dies Stahlträger der Typen HEA 280 und HEM 140, welche durch biegesteife Eckverbindungen zu einem künftig erweiterungsfähigen Stahlregal gefügt sind. Die Geschosshöhen sind so gewählt, dass die bestehenden Stahlträger möglichst selten zertrennt werden müssen. Dieses Konstruktionsprinzip erleichtert ein künftiges Weiterbauen. Die horizontale Aussteifung und Geschossdecken bilden wiederverwendete Betonrippendecken. Die vertikale Aussteifung übernehmen Kerne aus BSH und Stahlbeton.
Gefüllt werden die Stahlregale mit vorgefertigten Holzrahmen, die Wärmedämmung besteht aus Baustroh. Verkleidet sind die Elemente innen mit unbehandelten Holzplatten und aussen mit witterungsresistenten Fassadenplatten. Durch die mechanische Fügung der Bauteile kann die Konstruktion demontiert und in einen neuen Lebenszyklus überführt werden.
Soziale Nachhaltigkeit
Insgesamt finden bis zu 132 Personen in fünf verschiedenen Wohnungstypen Platz. Durch die erweiterbare Gebäudestruktur es jedoch möglich, bei Bedarf zusätzliche Menschen zu beherbergen. Zudem sind in den Gebäuden eine Vielzahl weiterer Nutzungen integriert: Wäschesalons als lokaler Treffpunkt; diverse vielseitige Nutzungseinheit auf der "Stadtebene" und der "Schwemmebene"; Seminar-, Büro- und Mehrzweckräume sowie eine KITA mit Entdeckungsgarten. Das soziale Zentrum des Areals bildet eine Mensa mit integrierter Bar und einem Book Coffee ohne Kaufzwang, welches von den Bewohnenden betrieben werden soll. Gemeinsam mit den multifunktionalen Aussenräumen und der zentralen Lage im Marziliquartier direkt an der Aare könnten die Voraussetzungen für eine nachhaltige soziale Integration der geflüchteten Menschen kaum geeigneter sein.
RE-FUSE zeigt auf, dass durch die clevere Kombination von wiederverwendeten und neuen Bauteilen ein flexibles Gebäudesystem entstehen kann, welches mühelos mit wechselnden Bedürfnissen und örtlichen Gegebenheiten interagieren und zugleich eine hohe architektonische Qualität erreichen kann.